Fernwärmetage 2024

Nachlese

Am 20. und 21. März wurden im Brucknerhaus in Linz die diesjährigen Fernwärmetage abgehalten. Vorträge zu aktuellen Themen, eine informative Industrieausstellung und ein attraktives Rahmenprogramm sorgten für eine gelungene Veranstaltung.


Fernwärme und Linz – eine Erfolgsgeschichte. Zur deutlichen Verbesserung der Luftqualität hat hier neben den umwelttechnischen Maßnahmen der Industrie vor allem der Ausbau der Fernwärmeversorgung seit den 1970er-Jahren geführt. Und wie die „Fernwärmehauptstadt Österreichs“ verfolgt die gesamte Branche ein ambitioniertes Dekarbonisierungsprogramm. So trifft es sich gut, dass das jährliche Branchentreffen, vom FGW traditionell zu Ende der Heizsaison angesetzt, heuer in Linz stattfand, wo sich mehr als 300 Teilnehmende zur zweitägigen Veranstaltung im Brucknerhaus einfanden.


FGW-Obmannstellvertreter Gerhard Fida wies in seiner Begrüßungsrede darauf hin, dass in Österreich bereits heute mehr als die Hälfte der Fernwärme aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt wird und die Versorgung gemäß Dekarbonisierungsstrategie bis 2040 klimaneutral erfolgen soll. Fida betonte auch die Zuverlässigkeit von Fernwärme und Fernkälte. Das habe sich im schwierigen energiepolitischen Umfeld der letzten beiden Jahren gezeigt. Die Kommunen sind daher gut beraten, ihre Pläne zum Ausbau der Fernwärme zügig umzusetzen.


Linz AG Generaldirektor Erich Haider legte dar, welche Aufgaben vom Staat, welche von den Kommunen und welche von der Privatwirtschaft wahrgenommen werden sollten. Amortisieren sich Investitionen innerhalb weniger Jahre, sollten Private zum Zug kommen. Aufgaben der Daseinsvorsorge, die von den Kommunen durchgeführt werden sollten, sind Projekte wie der Ausbau der Infrastruktur, bei denen es bis zu 25 Jahre und länger dauert, bis sich die Investitionen amortisieren. Alles, was noch länger dauert und nicht mit betriebswirtschaftlichen Kalkülen bewertet werden könne – wie etwa Bildung, Gesundheit oder Kultur – sei Aufgabe des Staates.


Eine auf nationaler Ebene zu treffende Grundsatzentscheidung ist, ob die Dekarbonisierung bis 2040 durch „starke Elektrifizierung“ (vollständiger Ausstieg aus Öl und Gas für Raumwärme und Warmwasser) oder durch einen „diversifizierten Energieträgermix“ (Strom und klimaneutrales Gas kommen zum Einsatz) erreicht werden soll. Gerald Aue vom Beratungsunternehmen Compass Lexecon stellte die Auswirkungen der beiden Szenarien dar. Fazit: Eine starke Elektrifizierung erfordert höhere Investitionen als ein diversifizierter Energieträgermix – vor allem in die Anwendungstechnik für den Energieverbrauch in der Industrie und für die individuelle Wärme in Haushalten und im Dienstleistungssektor.


Um den Unternehmen die Ausbildung der in Zukunft dringend benötigten Fachkräfte zu ermöglichen, hat der FGW gemeinsam mit dem Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft den Lehrberuf „Fernwärmetechnik“ entwickelt. Katalin Griessmair-Farkas (FGW) stellte die Inhalte vor. Die Ausbildung dauert dreieinhalb Jahre und vermittelt fundiertes Wissen in der Fernwärme- und Installationstechnik, Fernwärmeerzeugung und -verteilung sowie im Bereich Service und Wartung. Bereits im Herbst sollen die ersten Lehrlinge mit der Ausbildung beginnen. Maria Katharina Brunner (AMS Oberösterreich) erläuterte, was nötig ist, um die Zielgruppe für diese Lehre zu begeistern. So sei neben der Vereinbarkeit von Familie und Beruf die Wertschätzung der beruflichen Tätigkeit für junge Menschen heute wichtiger als für frühere Generationen.


Der Bereichssprecher Fernwärme im FGW, Alexander Wallisch (Wien Energie) – er konnte krankheitsbedingt an der Tagung nur über Livestream zugeschaltet teilnehmen – sprach zum Verhaltenskodex für die Fernwärmebranche, der vom FGW mit externer rechtlicher Beratung erarbeitet wurde. Der Kodex solle Österreichs Fernwärmeunternehmen künftig als Leitfaden für ihren Geschäftsalltag und ihre Kundenbeziehungen dienen. Transparente Abrechnungen und eine zeitgemäße Kundenkommunikation sollen sich positiv auf das Image der gesamten Branche auswirken.


Ein weiterer Schwerpunkt des ersten Tages lag auf dem Fernwärmeausbau. Michaela Anna Deutsch und Dominik Pernsteiner (Wien Energie) präsentierten die Pläne zu vier ausgewählten Wiener Stadtgebieten, wo in den kommenden Jahren Erdgas durch Fernwärme ersetzt werden soll. Andreas Hurni (Thermische Netze Schweiz) beleuchtete die Bedingungen, unter denen in der Schweiz ihren Beitrag zur Dekarbonsierung leisten soll.

 

Attraktive und unterhaltsame Abendveranstaltung
Zum Abschluss des ersten Veranstaltungsprogramms konnte man das neu errichtete Fußballstadion besichtigen, in dem der FC Blau-Weiß Linz seit letztem Jahr seine Heimspiele austrägt. Anschließend lud die Linz AG zu einem Galaabend an Bord des Kristallschiffes MS-Donau. Vorstand Josef Siligan begrüßte die Gäste und gab den „Staffelstab“ an Michaela Deutsch weiter, als Zeichen dafür, dass ihr Unternehmen, die Wien Energie GmbH, die nächsten Fernwärmetage ausrichten wird. Nach diesem formalen Akt legte die MS-Donau ab und die Gäste an Bord konnten sich am Anblick des nächtlichen Donauufers erfreuen und sich kulinarisch verwöhnen lassen. Höhepunkt des Abends war der Auftritt des „Blonden Engels“, wie sich der Musiker Felix Schobesberg selbst nennt, mit einem unterhaltsamen Musikprogramm und skurrilen Reimen und Texten.

 

Technische, rechtliche und organisatorische Fragen
Die Vorträge am zweiten Veranstaltungstag gaben einen Überblick über aktuelle technische, rechtliche und betriebswirtschaftliche Themen der Fernwärme- und Fernkälteversorgung. Christian Scheinecker (Linz AG) präsentierte das Projekt seines Unternehmens zur Realisierung des Wärmewandlers – eine innovative Kombination aus Brennwertanlage und Wärmepumpe zur Wärmerückgewinnung, die im Rahmen eines energieeffizienten Großprojektes im Kraftwerkspark Linz-Mitte errichtet werden und 2028 in Betrieb gehen soll. Mit diesem Projekt will die Linz AG den Anteil erneuerbarer Energien an der Fernwärmeversorgung bis 2030 auf 60 % steigern. Bernhard Kreindl, ebenfalls Linz AG, stellte die Pläne zum Ausbau der Fernkälteversorgung und die damit verbundenen bautechnischen Herausforderungen vor. Stefan Reschitzegger (AEE – Institut für Nachhaltige Technologien) berichtete über das EU-geförderte Forschungsprojekt SUPPORT DHC, in dem gemeinsam mit Partnern aus mehreren europäischen Ländern Konzepte zur Einbindung von geringwertiger erneuerbarer Energie und Abwärme in Fernwärmesysteme untersucht werden.


Energierechtsexperte Gregor Schett informierte auch in diesem Jahr über rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Vertragsgestaltung bei Wärmelieferungen sowie über aktuelle höchstgerichtliche Entscheidungen zu strittigen Fragen in diesem Bereich. Gregor Thenius (Österreichische Energieagentur) stellte die „Meldeplattform Wärmepreise“ vor, über die Wärmeversorger gemäß den Bestimmungen des EEG Informationen über ihre Tarife veröffentlichen müssen. Bis Mitte März haben 98 Unternehmen 331 Tarife veröffentlicht.


Clara Maria Habeler (FGW) präsentierte die Social Media Kampagne „Fernwärme & Fernkälte“. Über Plattformen wie Instagram und LinkedIn werden zielgruppengerecht Informationen zu aktuellen Themen der Wärme- und Kälteversorgung angeboten. Christof Horvath (Kommunalkredit Public Consulting GmbH) informierte über die ab 01.07.2024 geltenden Bestimmungen für die Förderung von Fernwärme- und Fernkälteprojekten und den Netzausbau. Im abschließenden Vortrag berichtete Verena Priemer vom Meinungsforschungsinstitut marketmind über die Ergebnisse der Ende 2023 durchgeführten „Imagestudie Fernwärme“. In 1.000 Interviews wurde die Einstellung zu Fernwärme- und Fernkälte erhoben. Es zeigt sich, dass Fernwärme vor allem von jenen, die sie nutzen, sehr positiv beurteilt und besonders wegen der Bequemlichkeit geschätzt wird. Allerdings hat sich das Image seit der letzten Umfrage etwas verschlechtert, ist aber im Vergleich zu anderen Heizformen immer noch sehr gut.

 

Die Fernwärmetage 2024 boten informative Vorträge und boten wie in der Vergangenheit hervorragende Gelegenheiten für Wissensaustausch mit Fachkolleginnen und -kollegen. In der begleitenden Industrieausstellung präsentierten 29 Firmen bewährte und innovative Lösungen für die Fernwärmebranche. Darüber hinaus informierten Vertreter der Aussteller in Kurzvorträgen über ihre Produktpalette. FGW-Geschäftsführer Michael Mock konnte daher eine äußerst zufriedenstellende Bilanz der diesjährigen Veranstaltung ziehen: Die Fernwärmebranche könne zuversichtlich in die Zukunft blicken. Er freue sich schon auf die nächsten Fernwärmetage, die am 12. und 13. März in Wien abgehalten werden, wo hoffentlich über einen weiteren Aufwärtstrend bei der Fernwärme- und Fernkälteversorgung berichtet werden kann.