Fernwärmetage 2020

Nachlese

Fernwärmetage 2020 in Innsbruck

Beim diesjährigen Branchentreff der Fernwärmewirtschaft in Innsbruck wurden die Voraussetzungen für die Dekarbonisierung des Raumwärmesektors diskutiert.

Ein Gesprächsthema bei den diesjährigen Fernwärmetagen am 9. und 10. März war selbstverständlich Corona. Um die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor einer Ansteckung zu schützen, wurde die Veranstaltung im Congress Center Innsbruck unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen abgehalten. Zu den Maßnahmen zählten auch Möglichkeiten zur Desinfektion der Hände und ausreichend Platz zwischen den Sitzreihen.

Die Veranstaltung selbst stand im Zeichen der zukünftigen Weichenstellungen für die Fernwärmewirtschaft. FGW-Obmann DI Peter Weinelt begrüßte in seiner Eröffnungsrede die Einsicht der Bundesregierung in die Bedeutung der Fernwärmewirtschaft für die Erreichung der Ziele zur Dekarbonisierung des Raumwärmesektors. Die Branche und der Fachverband Gas Wärme haben umfangreiche Vorarbeiten geleistet, um die Potenziale der Fernwärmesysteme für die nachhaltige und effiziente Wärmeversorgung aufzuzeigen. Doch jetzt müssten die Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit die Unternehmen die dafür nötigen Investitionen durchführen können.

Mit Dr. Michael Losch und Dr. Jürgen Schneider waren zwei hochrangige Vertreter des für Klimaschutz bzw. Energiepolitik zuständigen Ministeriums als Vortragende zu den Fernwärmetagen gekommen. Sie ließen keinen Zweifel daran, dass die Fernwärme einen wichtigen Beitrag bei der Dekarbonisierung des Raumwärmesektors liefern kann. Auf diesen entfallen derzeit mehr als ein Viertel (26,3 %) des heimischen Endenergieverbrauchs, und nur ein knappes Drittel davon wird durch erneuerbare Energieträger abgedeckt. Es besteht also hohes Potenzial zur Dekarbonisierung.

Das gilt auch für den Fernwärmesektor selbst. Denn je nach Betrachtungsweise (nämlich ob der Abfall zu den Erneuerbaren zählt oder nicht) erfolgt etwas mehr oder etwas weniger als die Hälfte der Fernwärmeaufbringung durch Erneuerbare. Losch präsentierte eine Abfolge von strategischen Maßnahmen, mit denen das Ziel der Dekarbonisierung erreicht werden soll. Sie betreffen die Steigerung der Energieeffizienz bei der Wärmebereitstellung, die Ausweitung der Abwärmenutzung, die erneuerbare Elektrifizierung der Wärmeversorgung, die Steigerung des Biomasseanteils und den Einsatz von Grünem Gas in hocheffizienten KWK-Anlagen und zur Substitution von fossilem Erdgas. Laut Losch sollen gemäß aktuellem Regierungsprogramm bis 2030 jährlich 5 TWh erneuerbare Gase – also Wasserstoff, synthetische Gase und Biomethan – in das Netz eingespeist werden. Die Herstellung von synthetischem Gas soll vorwiegend auf Basis von Überschussstrom erfolgen. Alle Szenarien zeigen, so Losch, dass Grünem Gas eine bedeutsame Rolle in der Energieversorgung zukommt.

Dr. Jürgen Schneider, er leitet die Sektion Klima und Umweltschutz, sprach zur künftigen Wärmestrategie des Bundes. Europarechtliche Vorgaben brächten es mit sich, dass Österreich Maßnahmen zur Dekarbonisierung des Gebäudebestandes setzen muss. Dafür müssen viele Initiativen gestartet werden. Im Nationalen Energie- und Klimaplan hat man sich dazu verpflichtet, bis 2040 dieses Ziel zu erreichen. Erste konkrete Vorhaben sind die Erhöhung der Sanierungsrate des Gebäudebestandes auf 3 % jährlich sowie das Aus für Ölheizungen bis 2035. Bereits 2030 soll im Gebäudebereich eine Reduktion von bis zu 3 Mio. Tonnen CO2-Emissionen erreicht werden. Dadurch eröffnen sich Chancen für Fern- und Nahwärmesysteme. Laut Schneider müssen dafür in der Wärmestrategie die raumplanerischen Rahmenbedingungen verbessert werden. Förderungen für erneuerbare Großanlagen in Fernwärmenetzen sollen geschaffen werden. Der durchschnittliche erneuerbare Anteil in der Fernwärme soll um mindestens 1,5 % pro Jahr erhöht werden. Schneider kündigte einen Förderungsschwerpunkt für Projekte zur Einspeisung von Abwärme in bestehende oder neue Nah-und Fernwärmenetze bzw. Einrichtung von Abwärme-Verteilnetzen an.

Von steigender Fernwärmenachfrage geht auch Mag. Helmut Lechner, Geschäftsführer der Energie Agentur Austria (AEA) aus. Er präsentierte in seinem Vortrag die ersten Teilergebnisse einer Studie, nach der bis 2050 der Anteil am Wärmemarkt 30 % betragen soll, bei allerdings sinkender Wärmenachfrage. Das bedeutet, dass der Energieträger-Einsatz im Jahr 2050 in etwa dem von 2015 entspricht (ca. 25 TWh). Allerdings wird es sich 2050 fast ausschließlich um erneuerbare Energieträger handeln. Biomasse, Geothermie und ab 2030 zunehmend erneuerbare Gase werden zusätzlich zum Abfall für die Fernwärmeerzeugung herangezogen werden. Letztendlich könnte der Erneuerbaren-Anteil 2050 96 % betragen. Um diese Ziele zu erreichen, ist ein weiterer Netzausbau nötig und es werden zusätzlich 15 TWh Fernwärmeerzeugung aus erneuerbaren Wärme-Quellen benötigt. Dann könnten die Treibhausgasemissonen der Fernwärmeerzeugung bis 2050 um 92 % sinken.

Für den FGW-Sprecher des Bereichs Wärme, DI Alexander Wallisch, belegt die Studie der Energie Agentur, dass die Fernwärmewirtschaft einen wichtigen Anteil zur Dekarbonisierung des Gebäudebereichs leisten kann. Man könne aber auch stolz darauf sein, was die Branche in den letzten 20 Jahren geleistet hat. Es war nicht selbstverständlich, den Erneuerbaren-Anteil in der Fernwärmeerzeugung auf mehr als 50 % anzuheben. Dafür bedurfte es vieler Projekte und Maßnahmen – und der passenden Rahmenbedingungen. Unterstützende Maßnahmen von öffentlicher Seite werden aber auch in Zukunft nötig sein, damit die Fernwärmebranche die gesellschaftliche Verantwortung der Dekarbonisierung des Raumwärmebereichs wahrnehmen kann. Es gibt große Herausforderungen. Wallisch nannte die Verfügbarkeit von Grünem Gas, erneuerbarem Strom und Biomasse, den Ausbau der dekarbonisierten Wärmequellen, darunter die Geothermie, und den Ausbau der Netze. Förderinstrumente wie die Umweltförderung Inland und das WKLG müssen dafür ausreichend dotiert sein.

Der erste Tag wurde auf Einladung des Tiroler Wärmeversorgungsunternehmens TIGAS mit einer Festveranstaltung in den beeindruckenden Räumlichkeiten der Innsbrucker Hofburg beschlossen. FGW-Obmann Weinelt überreichte an TIGAS-Geschäftsführer Dr. Clemens Hiltpold ein kleines Dankeschön für die erwiesene Gastfreundschaft. Sein Kollege Georg Tollinger hatte bereits im Vortragsblock am Nachmittag das Unternehmen TIGAS und dessen Strategien für die künftige Energieversorgung Tirols präsentiert.

Am zweiten Veranstaltungstag bot das Vortragsprogramm Informationen zu wirtschaftlichen und technischen Themen und über Möglichkeiten effizienterer Durchführung von Betriebsabläufen. Welche Fortschritte es bei der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen für die Dekarbonisierung der Raumwärme in den kommenden Monaten geben wird, könnte Gegenstand von Vorträgen bei den kommenden Fernwärmetagen 2021 sein: Dr. Alois Ecker, Geschäftsführer der Energie Burgenland, lud die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, im nächsten Jahr ins Burgenland zu kommen, um über die aktuellen Entwicklungen der Branche am Laufenden zu bleiben.