Im Mittelpunkt der Jubiläumsveranstaltung in Wien standen die Fernwärmeausbaupläne in Österreich und Europa sowie neue Technologien zur Dekarbonisierung der Wärme- und Kälteversorgung.
Am 12. und 13. März wurde im Wiener Hotel Intercontinental die 20. Ausgabe der Fernwärmetage abgehalten. Die Veranstaltung hat sich über die Jahre als zentrale Informations- und Austauschplattform für die Branche etabliert. Sie bringt Expertinnen und Experten zusammen, um aktuelle Fragestellungen zu behandeln, Herausforderungen und Trends zu diskutieren und über innovative Lösungsansätze zu informieren. Auch in diesem Jahr boten die Fernwärmetage eine wertvolle Gelegenheit für Fachleute, sich zu vernetzen und neue Impulse für die Branche zu gewinnen.
Fernwärme hat eine große Zukunft – und auch große Ambitionen. Das wurde bereits in der Begrüßung durch FGW-Obmann Peter Weinelt deutlich. Wie in Wien sollen auch in den anderen Städten Österreichs, wo es bereits Fernwärme gibt, die Marktanteile ausgebaut bzw. in Regionen ohne Fernwärme neue Netze aufgebaut werden. Damit die Branche weiter wachsen kann, ist es notwendig, das Vertrauen in die Fernwärme zu erhöhen. Indem die Unternehmen den vom FGW erstellten Fernwärme-Kodex unterzeichnen, legen sie dar, dass sie fairen Wettbewerb und gesetzmäßiges sowie transparentes Handeln bei ihrer Betriebsführung beachten.
Die Rahmenbedingungen für die Energieversorgung der Zukunft werden letztlich von der Politik bestimmt, die ihrerseits die gesetzlichen Weichen stellt. Österreich hat erst seit kurzem eine neue Regierung, und als die Programmverantwortlichen im vergangenen Herbst mit Peter Filzmaier einen ausgewiesenen Experten der österreichischen Politik als Referenten gewinnen konnten, geschah dies auch in der Absicht, erste Überlegungen zu den möglichen Auswirkungen der im Regierungsprogramm enthaltenen Maßnahmen anstellen zu können. Da sich die Regierungsverhandlungen bekanntlich in die Länge zogen und die neue Koalitionsregierung erst wenige Tage im Amt ist, ging Filzmaier vielmehr auf die Bedingungen ein, unter denen in Österreich politisches Handeln stattfindet. Die politische Klasse sei nicht zu beneiden. Das Wahlverhalten der Menschen sei immer schwerer vorhersehbar, auch wenn man aus Umfragen wisse, welche Themen den Menschen wichtig sind. Wahlerfolge würden zunehmend durch Polarisierung erzielt, was sachliche Lösungen erschwere. Die Gefahr ist aber, dass Schmutzkampagnen „das Image der gesamten Marke“ beschädigen – weshalb im Wirtschaftsleben selbst erbitterte Konkurrenten darauf verzichten würden, das gemeinsame Produkt schlecht zu machen. Übertragen auf die Situation in Österreich heißt das: Polarisierung schadet nicht nur dem Ansehen der Branche Politik, sondern auch dem Ansehen der Staatsform Demokratie. Dies sei eine gefährliche Entwicklung, so Filzmaier.
Die Fernwärme-Ausbaupläne für Wien
In Wien gibt es ambitionierte Pläne zum Ausbau der Fernwärme. Laut Michaela Deutsch (Wien Energie) sollen 400 km Leitungen und 50 neue Gebietsumformerstationen hinzukommen, um bis 2040 über die Hälfte der dann rd. 1 Mio. Wiener Haushalte anzuschließen. Neue Ressourcen wie Geothermie in Aspern sollen ab 2028 Wärme für 20.000 Haushalte liefern.
Die Ausbaupläne in Wien basieren auf einem Wärmeplan, der von der für Energieplanung zuständigen Magistratsabteilung 20 erstellt wurde. Er sieht vor, dass die Gebäude dort, wo ausreichende Wärmebedarfsdichte besteht, an die Fernwärme angeschlossen werden. In anderen Gebieten setzt man auf industrielle Abwärme und Erdwärme, wobei bereits 2,7 Mio. geeignete Bohrpunkte für Bohrtiefen zwischen 60 und 200 Metern identifiziert wurden.
Dominik Pernsteiner (Wien Energie) betonte, dass der Ausbau mit Infrastrukturprojekten wie Straßensanierungen koordiniert werden muss. Hauseigentümer benötigen Zeit zur Entscheidungsfindung. Für noch zu sanierende Gebäude gibt es Passiv-Fernwärmeanschlüsse, dabei wird eine Hausanschlussleitung verlegt und ein minimaler Durchfluss bereitgestellt. Der Hausbesitzer hat dafür einen Pauschalbetrag zu bezahlen, den er beim endgültigen Anschluss zurückerhält. Seit letztem Jahr wird in Wien der Fernwärmeausbau in so genannten Pioniergebieten vorangetrieben. Dabei konnten wertvolle Erkenntnisse für den weiteren Ausbau gewonnen werden.
Blick über die Grenzen
Norman Fricke von der deutschen Fernwärme-Interessenvertretung AGFW berichtete über die Rahmenbedingungen für Fernwärme in Deutschland und Aurélie Beauvais von der europäischen Interessenvertretung Euroheat & Power sprach über die Ausbaupläne für grüne Fernwärme in Europa. Der derzeitige Anteil der Fernwärme von 13 % am Raumwärmemarkt könnte in den nächsten Jahren deutlich steigen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.
Festabend
Ein Video-Rückblick auf 20 Jahre Fernwärmetage, in dem die Motive für die Etablierung sowie die erfolgreiche Entwicklung der Veranstaltung dargestellt wurden, bildete den Abschluss des Vortragsprogramms am ersten Tag. Danach waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Wien Energie zu einem Galaabend in der Volkshalle des Wiener Rathauses eingeladen. Mit der Übergabe des Fernwärmestaffelholzes“ durch Michaela Deutsch an den Geschäftsführer der Energie Steiermark Wärme GmbH, Gerald Moravi, wurde Graz als Veranstaltungsort der Fernwärmetage 2026 bekanntgegeben. (Datum und Veranstaltungsort stehen auch schon fest: 25.–26. März 2026, Messe Graz.) Kulinarische Köstlichkeiten und das Unterhaltungsprogramm, bei dem die Science-Busters wissenschaftliche Erkenntnisse vermittelten, sorgten für einen gelungenen Abend.
Weitere Themenschwerpunkte
Das Vortragsprogramm am zweiten Tag bot innovative technische Lösungen für den Fernwärmeausbau in Österreich, Deutschland und Dänemark sowie kurze Produktinformationen von Ausstellern der Fachmesse. Themen waren unter anderem die Einbindung von Solarthermie. Tiefengeothermie und Abwärme in Fernwärmenetzen, Quartierslösungen und Nahwärmenetze in Ballungsräumen oder die thermische Seewassernutzung zur Wärme- und Kälteversorgung in Bregenz. Auch die Bedeutung der kommunalen Wärmeplanung wurde beleuchtet. Eine EU-Energieeffizienz-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass zumindest in Kommunen mit einer Gesamtbevölkerung von mehr als 45.000 Einwohnern lokale Pläne für die Wärme- und Kälteversorgung ausarbeiten. Derartige Pläne wurden in Österreich bereits in großen Städten wie Wien oder Graz erstellt, sie sind aber auch für kleine Kommunen sinnvoll.
Resümee
Katalin-Andrea Griessmair-Farkas konnte als für die Veranstaltung verantwortliche FGW-Referentin ein positives Resümee ziehen. Die Vorträge boten fundierte Einblicke in aktuelle Entwicklungen und innovative Lösungsansätze und zeigten, dass die Branche in der Lage ist, die Herausforderungen der Dekarbonisierung zu meistern. Unterstützt werden sie dabei von leistungsstarken Unternehmen, wie jenen, die auf der begleitenden Industrieausstellung neueste Technologien und Produkte präsentierten. Die Fernwärmetage sind damit eine unverzichtbare Plattform für die Weiterentwicklung der Branche, die optimistisch in die Zukunft blicken kann.